Buch, Regie, Kamera, Schnitt:
Karsten Krause
Ton: Alicja Bielawska &
Louis-Philippe Scoufaras
Postproduktion Bild:
Tim Liebe
Postproduktion Ton:
Roman Vehlken
Text: Dan Boehl
Germany 2016 • HD • 16/9 • 23’
Ein technischer Apparat. Sezieren, präparieren, konservieren. Gegenstände der Natur zu dokumentieren und zu erhalten war und ist ein Bedürfnis der Kulturen. Im Diorama der zoologischen Sammlung treffen sich der tote und der menschliche Blick. Ein Film über den Widerspruch von wissenschaftlicher Neutralität und gestalterischer Interpretation. Nichts ist für die Ewigkeit gemacht.
Biografie
Karsten Krause, geboren 1980 in Freiburg, arbeitet seit 2002 mit Video und Film. Er studierte visuelle Kommunikation an der HfbK in Hamburg. Seine bisher entstandenen Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
»Arrangement of Skin« von Karsten Krause begleitet die Tierleiber durch die Prozesse ihrer Rekonstruktion und ihrer Wiederauferstehung in den Inszenierungen des Museums. Er erzählt von nüchterner Wissenschaft und handwerklicher Akkuratesse aber auch von der großen menschlichen Sehnsucht nach dem Wilden. Von der Imaginationslust der Forschung und der Museen und ihrer Nähe zum Film und seinen Inszenierungen, seiner Schaulust.
Die Präperierkunst geschah und geschieht immer noch im Sinne der Aufklärung, als eine Überwindung natürlicher Schranken, die die Wildnis zwischen den menschlichen Betrachter und seinem tierischen Blickobjekt eingerichtet hat. Denn so nah, ungestört und seelenruhig lässt sich natürlich sonst keine wildlebende Kreatur beäugen. Das Wiederherrichten, ein postmortales Handwerk, damit die Besucher und Besucherinnen in die Naturkundemuseen dieser Welt kommen und staunen. Ganz so, als könne man mit den inszenierten Tierhüllen auch die eigene Genesis bewundern. Im Anblick des konservierten Todes lässt sich über vergangenes Leben spekulieren, über gänzlich fremde Lebenswelten, tierische Überlegenheiten, wie Kraft und Schnelligkeit, aber auch über ihre systemischen Schwächen in der Verteidigung ihrer Territorien gegenüber der menschlichen Inbesitznahme. Man mag im Anblick der Exponate über all die zu Instinkten gebündelten Handlungen wie Futter-, Flucht-, Jagd- und Fortpflanzungstrieb sinnieren, die dem Menschen dank seiner zivilisatorischen Vernunft nur als schmerzlich bewusster Lebenskampf oder als schwer zu steuerndes Begehren vertraut sind.
Im Blick auf das Tier will sich der Mensch selbst erkennen. Er sucht nach menschlichen Zügen im Primatengebahren, nach der eigenen Kühnheit in den Jagd und nach Zeichen menschmütterlicher Fürsorge bei den Aufzuchtszenen. Er sieht Genuss beim Fressen und Wellnessbedingungen bei Erholungssituationen. Die Wahrheit von Tier und Wildheit bleibt ein Kunstprodukt, erzeugt an einem Tier, das noch in seiner musealen Auferstehung nicht das sein darf, was es war. So holt die tote Kreatur ein künstliches Paradies heim, das man ursprünglich zu Erkenntniszwecken um es herum errichtet hat und doch nur nach menschlichen Phantasmen ausmalen kann.
In »Arrangement of Skin« erlebt dieses Blickverhältnis einen aufregenden Achsensprung. Denn die Kamera blickt als Substitut für den erloschenen tierischen Blick zurück. Sie beobachtet Menschen in ihren Arbeitszellen, auf speckig glänzenden Fluren. Vor Fenstern, durch die sie auf die Welt draußen schauen. Neben Säulen solcher Gebäude wie das Schloss Rosenstein des Museums, in denen Herrschaft und Wissen auch architektonisch ineinanderfließen. Mit ethnografischer Neugier studiert der Film die Handgriffe der Präparatoren, interessiert sich dabei ebenso für ihre Fertigkeiten, wie für ihre konzentrierten Gesichtsausdrücke. Er zeichnet ihre Routine, aber auch ihre Vereinzelung auf, ihre Vertrautheit mit den Objekten. Wortlos verrichten sie ihre Arbeit, deren einzelne Ausführungsschritte sich dem Blick der Kamera nicht immer in ihrer Logik erschließen. Sie sieht, was sie sieht. Der Film ordnet und schneidet nicht nach der linearen Erzählung einer Bastelanleitung. Er sammelt Verrichtungen, einsame Verrichtungen, in Kammern und Werkstätten, die mit Lagerungstechniken, Licht- und Raumtemperatur den Verfall aufzuhalten versuchen. Da wird mit chirurgischer Präzision geschnitten, gehäutet, das Innere nach Außen gestülpt, als gäbe es doch noch irgendwo eine verborgene Drüse, in der sich alle verstandesmäßigen Unterschiede zwischen Homo Sapiens und der unterworfenen Fauna manifestierten. Es wird gestopft, geformt, fixiert und haltbar gemacht. Man ahnt wie viel Fachwissen, Erfahrung, Sorgfalt, durchaus auch Hingabe die Arbeit erfordert. Bis das Exponat nach allen naturwissenschaftlichem Wissen und Gewissen wiederhergestellt ist, bereit für seinen durch und durch dramatischen finalen Auftritt. Dann findet es sich neben seinen verstorbenen Kollegen vor filmstudioreifen Savannenlandschaften, Bergpanoramen oder Dschungelfantasien ein um hinter Glas, der Spezies zu begegnen, die es erfunden hat.
Im Schaukasten spiegeln sich wage die Besucher. Man hört Schritte, kindliches Geflüster, erwachsenes Staunen. Das aufgerichtete Tier sieht echt aus. Und tot. Sein Glasauge zeichnet nichts auf. Es ist, was es zu sein hat. An Arrangement of Skin.